Quo vadis Frau?



Wer und was hat sie zu dem gemacht, was heute allgemein mit dem Begriff Frau assoziiert wird? Mann, Erwerbstätigkeit, die „Kleinigkeit“ Haushalt und Kind werden die meisten mit Frau verbinden. Das Rückgrat der Familie, die guten Kräfte, die im Hintergrund wirken, arbeiten, zusammenhalten, oft die einzige, die das herrschende Chaos überblickt und dabei auch noch einen Plan, eine Struktur in petto hat. Bricht alles zusammen, ist Mama da, um zu trösten, Mut zu geben und alles wieder ins Reine zu bringen, neu zu organisieren, die Mittel bereit zu stellen und selbstverständlich auf eigene Belange und Wünsche dabei zu verzichten.

Aber so war das ja schon immer. Dabei haben Frauen doch viel im letzten Jahrhundert erreicht: sie dürfen seit 1919 wählen, Auto fahren, Geld verdienen, Kinder erziehen, das Zeitmanagement der Familie führen und 150 - 200 % Leistung bringen, um die gleiche Anerkennung zu bekommen wie Männer bei 100%. Man sollte hierbei auch nicht vergessen, dass alles in Strukturen stattfindet, die für Männer eingerichtet sind. Das ständig schneller werdende Arbeitstempo, die weit verbreitete Einstellung „...der Stärkere gewinnt...“ und die schon immer existierende „Schwangerschaftsbremse“, die Einfluss auf Schule, Ausbildung, Studium und Arbeitsplatz, sprich Karriere, hat.

Hinter fast jedem Mann seht eine starke Frau sagt der Volksmund. Eine Partnerin, die sein Selbstbewusstsein stärkt, Unannehmlichkeiten von ihm fernhält und ihn auf sanft-psychologische Tour oder einfach mit Druck zu Entscheidungen führt. Dabei verfolgt Frau eigentlich nur ein Ziel: IHN erfolgreich im Beruf zu machen, seine Karriere zu fördern und sich „im Angesicht seines Glanzes“ zu sonnen. Denn das Frauen etwas verändern können, indem sie ihre Bedürfnisse artikulieren, hat sich leider als Ammenmärchen herausgestellt. Frauen werden immer noch nur geduldet (und nicht anerkannt), es ist vom „Grossmut“ der Herren abhängig, ob Frau die Möglichkeit bekommt, Karriere zu machen und die Alltagsprobleme, die dabei auftauchen sind natürlich „Frauensache“.

Unter solchen Voraussetzungen zu versuchen, sich selbst zu verwirklichen, erscheint den meisten Frauen nicht sehr erfolgsversprechend. Also wählt man das kleinere Übel und begibt sich in das seit Jahrtausenden herrschende Patriarchat, wissend, dass ein Richtungswechsel, ist einmal der Weg Familie eingeschlagen, kaum mehr möglich ist. Selbstverwirklichung wird gegen Abhängigkeit eingetauscht.

Sich selbst verwirklichen? Für mich bedeutet Selbstverwirklichung Beschäftigung jeglicher Art, die mich befriedigt, mir das Gefühl gibt, etwas zu schaffen, egal ob materialistisch oder ideel. Jedoch scheitert dieses Unterfangen meist an einem Faktor: die notwendige Zeit dafür nicht aufbringen zu können. Denn der biologische „Vorteil“, den Frau durch die Möglichkeit der Schwangerschaft hat, erweist sich oft als Zeitbeschleuniger der rasenden Art. Kinder aufwachsen zu sehen ist eine der schönsten Sachen dieser Welt, doch in der Mitte des weiblichen Lebens schaltet sich die biologische Uhr fürs Kinderkriegen aus. Schon allein dadurch wird Frau in der zeitlichen Lebensplanung „von oben“ diktiert. Die beruflichen Perspektiven engen sich zwangsläufig ein und eine eher kurzfristige Planung für die eigene Selbstfindung ist unumgänglich, sofern man den Kinderwunsch hegt.

Ausgehend von diesen Faktoren haben sich Politik und Gesellschaft auf die „kurzzeitige Verfügbar-keit von Frauen in der Erwerbswelt“ eingestellt. Minder bezahlte Jobs, kaum Altersabsicherung, schlechte oder kaum vorhandene Tagesunterbringungsmöglichkeiten für Kinder und überhaupt: warum sollte ein Arbeitgeber in Personal investieren, das sowieso irgendwann wieder geht? Trotz dieser Widrigkeiten gibt es einige Frauen, für die Familie und Kinder nicht allein an erster Stelle stehen, sondern auch sie selbst.

Vordergründig sind viele Frauen mit ihrem Leben zufrieden. Zufrieden mit dem Stand des Bankkontos? Zufrieden, dass man einmal im Jahr zwei Wochen in den Urlaub fahren kann? Zufrieden, dass der Nachwuchs mit zwölf noch nicht drogenabhängig oder gewaltätig ist? Zufrieden, dass Frau bis ans Lebensende vom Einkommen des Mannes und der Privatvorsorge abhängig ist, selbst wenn sie steuer- und sozialpflichtig arbeitet?

Dann lass Frau doch alleine Kinder erziehen und Geld verdienen wird jetzt der eine oder andere denken. Vergnügen und keine Verpflichtung......leider ist das schon Realität. Monatlich zahlen Länder und Gemeinden Millionen für unterhaltsflüchtige Väter. Diese Unterstützungsform für Alleinerziehende endet jedoch mit dem 7. Lebensjahr - dann ist die weitere Finanzierung des Familienunterhaltes wieder einmal „Frauensache“.

Erziehungsurlaub, Kindergeld, Freibeträge, Steuersplitting und die Anerkennung von Erziehungs-zeiten hört sich zwar gut an, doch werden diese angeblichen Entlastungen langfristig gesehen auf Kosten der Frauen durchgeführt - so widersinnig es sich auch anhört. Die berufliche Praxis zeigt, dass Frauen in Führungspositionen, die Erziehungsurlaub in Anspruch nehmen, keinerlei Chancen auf einen Halbtags-Führungsjob bei Wiedereinstieg haben. Ihnen wird zwar ähnlich gleichwertige Arbeit angeboten, doch der jahrelang hart erarbeitete Chefsessel ist von anderen, Vollzeit Arbeitenden, besetzt. Zum Glück sind insgesamt nur 3 % der Führungspositionen an Frauen vergeben, wovon im öffentlichen Dienst sogar nur 1,5 % von Frauen besetzt sind (BmFSFJ, Stand März 98).

Kindergeld und –erhöhungen werden zu 100 % auf die Sozialhilfe angerechnet und das Steuersplitting für Verheiratete begünstigt im besten Fall gut verdienende, kinderlose Ehepaare, die im Vergleich zu Familien einen eher geringen Mehrwertsteuerumsatz produzieren. Überwiegend sind Jobs für Frauen (aus der Unter- und Mittelschicht) so schlecht bezahlt, dass bei Versteuerung in Kl.V nicht allzuviel übrigbleibt - was zu der irrigen Annahme führt, es lohne sich nicht, steuer- und soial-versicherungspflichtig zu arbeiten. So hält man Frau vom Arbeitsmarkt und der Rentenkasse fern - durch eine von Männern erdachte Steuerklassenpolitik und eine auf männliche Bedürfnisse ausgerichtete Arbeitswelt.

Es wird kein Rollentausch gefordert, sondern eine gerechte Umverteilung, weniger hierarchisch ausgerichtete sondern gleichberechtigte und mit Verantwortung ausgestattete Arbeitsbedingungen, wobei auch die Organisation des Alltags angesprochen werden muss (z. Bspl. die Anerkennung, Absicherung und finanzielle Unterstützung privater Initiativen zur Kinderbetreuung).

Der Staat muss wieder seine soziale Verantwortung wahrnehmen mit dem Ausbau eines gleichgestellten Bildungssystems unter Berücksichtigung technischer Entwicklungen. Mehr soziale Einrichtungen wie Jugendhäuser, Frauenhäuser, Sozialwohnungen und Wohnprojekte für Alleinerziehende sind zwingend notwendig. Wie sich der Staat seiner Verantwortung dem Volk gegenüber immer mehr entzieht, zeigt der Vergleich der Fördermittel im sozialen Wohnungsbau.

Von jährlich 3,95 Mrd Baugeld aus Bundesmitteln im Jahre 1993 blieben 1998 gerade mal 1,35 Mrd übrig. 1999 wurde auf 1,1 Mrd gekürzt, 2000 stehen nur noch 600 Mio Mark zur Verfügung und die mittelfristige Finanzplanung sieht eine nochmalige Reduzierung auf 450 Mio vor. Dies entspricht einem Abbau beim sozialen Wohnungsbau, der zum Beispiel kinderreiche Familien finanziell entlasten soll, von fast 90 %. Zeitgleich fand eine Steigerung der Arbeitslosenzahl in der Baubranche statt. Von 113.556 (86.449 im Westen, 35.333 im Osten) gemeldeten Erwerbslosen im September 1994 auf 192.128 (99.624 W, 92.504 O) im August 1999 (IGBau). Ein Anstieg von 70 % - und alles zu Lasten der Solidargemeinschaft.

Dass bei diesen geringen Finanzmitteln kein Geld für eine menschenwürdige Wohn- und Infrastruktur-Gestaltung übrig bleibt, versteht sich von selbst. Menschen, die in sozialen Brennpunktgebieten mit entsprechender Architektur leben, haben keine Möglichkeit mehr zum Austausch. Verrohung wird durch inhumane Bauten, die die soziale Vereinsamung fördern, „herangezüchtet“. Falls Sie sich jetzt fragen, wie mehr Humanität finanziert werden soll, kann ich nur antworten, dass genug Geld vorhanden ist - doch kapitalistische und gewinnorientierte Prioritätensetzung führt zu einer ungerechten Verteilung.....

Den Anfang nimmt das Dilemma schon beim Grundgesetz. In Artikel 1, 2 und 26 ist das Recht für j e d e n Menschen festgeschrieben, jede Unterstützung in Bezug auf Begabung und Grundfreiheiten wie Bildung zu erhalten, die für eine persönliche Entfaltung notwendig sind, ohne Rücksicht auf Rasse, Geschlecht, Sprache, Glauben, politischer Überzeugung und sozialer Herkunft.

Dabei wurde leider vergessen, den gesetzlichen Rahmen für eine gleichgestellte Behandlung von Frauen und Sanktionen bei Nichtanwendung zu schaffen. In der Praxis ist dies durch mehr Mitbestimmung für den Betriebsrat, stimmberechtigte Interessenvertretungen für Frauen und gesetzliche Rahmenbedingungen für die Privatwirtschaft in Bezug auf Umsetzung und Einhaltung einer gleichgestellten Personalpolitik und –entwicklung zu verwirklichen. Das Bundesland Brandenburg hat hierzu einen sehr erfolgreichen Modellversuch gestartet, der öffentliche Auftragsvergaben ab DM 250.000,-- an die Frauenförderung koppelt.

Es gibt viele gute Ansätze - im kleinen. Ein Unternehmer ist sich mittlerweile bewusst, dass die Arbeitswelt ohne Frauen nicht funktioniert, der Staat muss jetzt die Initiative ergreifen und mit entsprechenden Gesetzen und Einhaltung derselben eine gleichgestellte Grundlage für die Erwerbstätigkeit der Frauen schaffen. Da die Mehrzahl der Bundestagsabgeordneten jedoch Männer sind (denn ein weiblicher Politiker braucht männliche Unterstützung für die Familie), wird wieder einmal hauptsächlich männlichen Ansprüchen genüge getan. Übrig bleiben dann ein paar halbherzig beschlossene Quotenfestlegungen für Ämter und Gremien, die aufgrund der Höhe von vorn herein für eine quantitativ nicht ausreichende Frauenvertretung sorgen.

Frau muss unbequemer werden. Solange wir alle existentiell wichtigen Entscheidungen Männern überlassen, wird es keine Umverteilung im Berufs- und Privatleben geben. § 218, Abtreibungspille sind in unseren weiblichen Körper eingreifende Prozesse - mein Bauch gehört mir - und wer führt die Diskussionen über die Entscheidungen darüber? Was hindert Frau daran, aufzustehen und NEIN zu sagen? Warum überlassen wir solche für unser weiteres Leben wichtigen Entscheidungen den Männern?

Oft wird das Argument „das verstehst du ja doch nicht“ eingesetzt, gemeint ist eine unzureichende Schul- und Ausbildung. Frauen in Deutschland wurde bis 1920 der Zugang zu Universitäten versagt und dennoch wird, gemessen an der weiblichen Dreifachbelastung Familie, Haushalt, Beruf , zusätzliche Energie für Fort- oder Weiterbildung aufgebracht. Zu Beginn des Jahrhunderts wurden Frauenambitionen in Bezug auf Ausbildung eines Talentes oder Entwicklung zur Selbständigkeit per Gesetz, Verbot oder Strafe unterdrückt.

Woher kommen diese „Herr-Götter“, die sich oft in ignoranter Weise über weibliche Bedürfnisse hinweg setzen? Männer werden immer noch überwiegend von Frauen erzogen. Warum betreibt Frau durch entsprechende Erziehung die Aufrechterhaltung der Ungleichstellung gegenüber ihrem eigenen Geschlecht?

Der „starke“ Mann, der Herr im Haus, er, der sie beschützt, diese Klischees sind immer noch weit verbreitet und werden von Frau auch angenommen. Der kleine Bub, der Papas verantwortungsvolle Rolle übernimmt, wenn dieser nicht da ist - für einen Knirps eine ziemliche Überforderung. Und gibt es nichts schöneres für Frau, wenn er sie bewundernd anstrahlt? Da wird die Einbeziehung in „niedere“ Hausarbeit und Alltagsgeschäft zur Nebensache oder völlig verdrängt. Und weil Mama schon immer die Hausarbeit gemacht hat, wird das Schwesterchen gleich mit in die „untergeordnete“ Stellung erzogen.

Heute ist das alles anders..........junge Mädchen können studieren und Handwerkerin, Pilotin oder Wissenschaftlerin werden - doch wehe, wenn sie schwanger sind. Denn eines ist meist von Anfang an klar: Frau bleibt zuhaus und nimmt den Erziehungsurlaub. Dabei will ein Grossteil nach der Babypause schon vor Ablauf des Erziehungsurlaubs wieder in die Erwerbstätigkeit zurück. Hier sind dringend Umstrukturierungen in männlich ausgerichteten Jobs nötig, wie das Angebot von mehr Halbtagsstellen und jobsharings. Bedauerlich ist, dass die Einrichtung eines Betriebskindergartens immer mehr in Vergessenheit gerät - sozial sein ist nicht in - ausser es macht sich fürs Image bezahlt.

Frauen müssen die kleinen „Herrgötter“ in den weiblichen Alltag mit einbeziehen, Mädchen brauchen bei der schulischen Ausbildung die gleichen Chancen wie Jungen, frauenlastige Berufe im sozialen Bereich sollten für Männer attraktiver sein, eine Anpassung der Löhne in „weiblichen“ Berufsdomänen an Gehälter in „männlichen“ Domänen ist zwingend erfoderlich und für kleine und mittelständische Betriebe sollten finanzielle Anreize geschaffen werden, damit ein fehlender Umkleideraum für Frauen kein Einstellungs-Hinderungsgrund ist.

Nicht der Waschmaschine und dem Abwasch Priorität geben, sondern sich selbst. Eine Frau definiert sich nicht über Schmutz und der Karriere ihres Mannes, sondern über ihre Talente, Lebenserfahrung, ihre Gedanken und Schlussfolgerungen. Veränderung kommt nur aus der eigenen Änderung, indem Frau sich mit ihrer Situation und der dazugehörigen Selbstbestimmung auseinandersetzt und dort anfängt, etwas zu ändern, wo es Erfolg verspricht - bei sich selbst.

Annette Gerlach

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