Zuckersüss I



Als 1979 bei mir die Diagnose Diabetes Mellitus Typ I gestellt wurde, war ich erst einmal geschockt. Meine Cousine bekam diese insulinpflichte Stoffwechselerkrankung bereits mit 7 Jahren und die Erfahrungen mit einer damals noch nicht intensivierten Therapie waren alles andere als erfreulich. Ein Leben streng nach Stundenplan, es musste gegessen werden, weil gespritzt war, körperliche Aktivitäten konnten, wenn überhaupt, nur mit äusserster Vorsicht ausgeführt werden und der Verzicht beim Essen auf alles, was Spass und dick macht, waren Aussichten, die mich mit meinen 16 Jahren erstmal in eine einwöchige Fressorgie stürzten. Wohlwissend, dass vieles verboten war, stopfte ich in den Tagen vor der Krankenhauseinlieferung noch alles an verbotenen Lebensmitteln in mich hinein.


Was ist das?

Wenn diese genetische Veranlagung zum Ausbruch kommt sind alle Organe, die Nerven und der Blutkreislauf davon betroffen. Die insulinproduzierenden Langerhanschen Inseln, die auf der Bauchspeicheldrüse sitzen, sind für die Aufschlüsselung der Nahrung in Bestandteile wie Eiweiß, Vitamine, Kohlehydrate, Fett, Mineralien und Ballaststoffe (unverdauliche Zellen) verantwortlich. Durch körpereigene Zusätze wird ein Glocosebrei hergestellt, die aufgenommene Nahrung kann nur in dieser Form von den Zellen verarbeitet werden. Findet die Entcodierung der Nahrung durch zuwenig oder gar nicht vorhandenem Insulin nicht statt, erreichen die Bestandteile nicht die Muskeln und die Energiegewinnung findet nicht statt.

So erklärt sich die Mattigkeit und das energielose Gefühl bei einem nicht behandelten Diab I. Selbst bei ununterbrochenem Essen verlässt die Nahrung wieder ungenutzt den Körper, permanente Gewichtsabnahme ist die Folge. Der Körper versucht, dass mit Bestandteilen vollgestopfte Blut zu verdünnen und der Drang zu trinken setzt ein. Sieht man davon ab, dass zu dickflüssiges Blut durch zu kleine Venen und Adern fliesst und diese zum Platzen bringt, erreicht der Körper Stunden oder Tage später den Zustand der totalen Erschöpfung, der bis zum Koma führen kann.


Was kann ICH tun?

Ich möchte verdeutlichen, dass Insulin einen wichtigen Einfluss auf jede Sekunde unseres Lebens hat. Bei vielen Funktionsstörungen findet man heilende Therapieformen. Warum nicht hier? Zum einen ist da die Tatsache, dass jeder Diab I Mensch ein einzelner Patient für sich ist. Kein Mensch gleicht dem anderen und deshalb gleicht auch kein Diabetes dem anderen. Beobachten Sie sich dabei, wie Sie auf Stress, Klima und sportliche Tätigkeiten reagieren, notieren Sie Ihre Erkenntnisse, holen Sie sich z.B. bei den Krankenkassen Tipps für eine erfolgreiche Stressbewältigung. Mit ein bisschen Bewegung (z.B. Schwimmen) können Sie Ihre Insulindosis beeinflussen und sogar zum Abbau erhöhter Werte einsetzen, vorausgesetzt, Sie haben Ihren Diab I im Griff.

Zum anderen hilft es vielleicht, sich den Körper als Oldtimerwagen vorzustellen. Regelmässig fetten, ölen und vom Mechaniker warten lassen - belohnt wird man mit einem funktionellen, wunderbar aussehenden „Gebrauchsgegenstand“. Beim Diab I ist es ähnlich, der Mechaniker sind Sie - Ihr Arzt ist der Mann vom TÜV. Keine andere Funktionsstörung ist für eine erfolgreiche Behandlung so sehr auf die Mithilfe der PatientInnen angewiesen wie Diab I.


Kein Grund für Traurigkeit

Seit 20 Jahren „fixe“ ich jetzt. Meine Tochter ist sechzehn und gesund (leider können ihre Kinder von Diab I betroffen sein) und mir geht es bis auf einen tablettenpflichtigen Bluthochdruck gut. Darüber hinaus haben Wissenschaft und Forschung enorme Fortschritte bei der Diab I Behandlung gemacht: intensivierte Therapie, d.h. spritzen, wenn man essen will, Pumpe (habe ich keine Erfahrung), die Einbeziehung zuckerhaltiger Lebensmittel in den Speiseplan, gentechnisch hergestelltes Insulin, dass dem menschlichen in seiner Wirkung fast gleicht, Pens und bequeme Blutzuckerbestimmung.

Ich kann meinen Zustand nicht ändern, deshalb versuche ich, meinen Diab I zu akzeptieren, zu lernen, damit im Alltag mit all seinen Verführungen umzugehen. Das für mich grösste Problem dabei ist, Maß zu halten...... Kämpfe ich gegen den Diab, schade ich mir. Der Körper ist zu wertvoll und muss ein Leben lang funktionieren - Diab I hilft, ihn gesund zu ernähren.

Annette Gerlach

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